
Und mit einem „Wisch“ war alles weg: Die eigenmächtige Kürzung des Genesenenstatus auf nur noch drei Monate durch das RKI wird durch ein brisantes Gutachten des Bundestags infrage gestellt. Millionen Menschen in Deutschland wurden durch diesen Streich einer Behörde ohne Beteiligung eines Parlaments oder der Regierung abrupt ihrer Rechte beraubt. Ganz im Widerspruch zu einer kurz darauf erfolgten Entscheidung der EU (unter Beteiligung deutscher Mandatsträger!), die den Genesenenstatus innerhalb der EU auf sechs Monate festlegt.
RKI-Chef Lothar Wiehler hat zu viel Macht. Zu diesem Schluss kommt eine brisante Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Diensts des Deutschen Bundestags. Anlass dieser Untersuchung ist die heftig kritisierte Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate durch das RKI. Denn seit dem 14. Januar 2022 kann das RKI eigenmächtig festlegen, wie lange nach einer Corona-Infektion Menschen als genesen gelten. Zuvor noch war in der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung geregelt, dass Menschen nach einer Infektion sechs Monate als genesen gelten. Jetzt verweist die Verordnung lapidar auf die Webseite des RKI und dort definiert die Behörde, wie lange der Genesenenstatus gilt. Dann wird per Mausklick festgelegt, wer in Deutschland wie lange als genesen gilt. Eine derartige Machtausübung durch eine Behörde bzw. einen Behördenleiter geht den Juristen im Bundestag definitiv zu weit. Die Frage, wer wie lange als geimpft oder genesen gilt, ist schließlich „von hoher Relevanz für die Wahrnehmung von Grundrechten“. Die „Regelung des Immunitätsnachweises“ bildet „die Grundlage für die Frage, ob die Grundrechte der betroffenen Person durch die Corona-Maßnahmen beschränkt werden dürfen oder ob aufgrund der Immunisierung eine Ausnahmeregelung gelten kann“. Die Festlegung der Dauer des Genesenenstatus entscheidet dann darüber, ob der Betroffene noch eine Veranstaltung, eine Gaststätte oder einen Friseur aufsuchen darf oder ob er sich vor jeder Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel, einem Behördentermin oder gar dem Betreten seines Arbeitsplatzes testen lassen muss. Aufgrund der hiermit verbundenen „hohen Grundrechtsrelevanz“ sieht es der Wissenschaftliche Dienst kritisch, dass nach der Änderung der Verordnung „selbst die Bundesregierung (…) wesentliche Aspekte der Regelung zum Genesenennachweis nicht mehr selbst regelt, sondern dies einer weiteren Stelle, nämlich dem RKI, überlässt“. Fazit der Juristen: Es gebe große „Zweifel“, ob dies „verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt“.
Auch für Staatsrechtler Josef Franz Lindner von der Uni Augsburg ist klar: Das Gutachten „arbeitet die Verfassungswidrigkeit der Regelung über den Genesenenstatus präzise und zutreffend heraus“. So stellt Lindner gegenüber Medienvertretern klar: „Die Entscheidung über die Dauer des Genesenenstatus durfte nicht dem RKI überlassen werden, schon gar nicht im Wege einer bloßen Internetverweisung.“

Quelle: BILD