Seit einer Weile gibt es sie in Deutschland: Nächtliche Ausgangssperren. Denn sie seien, so versuchen es zahlreiche Politiker der Bevölkerung regelmäßig einzubleuen, ein wichtiges und geeignetes und somit unverzichtbares Mittel, um die Corona-Pandemie in Deutschland erfolgreich eindämmen zu können. Unsere Regierung gibt in zahlreichen Auftritten in Parlamenten und Medien an, es sei nachgewiesen, dass nächtliche Ausgangssperren wirksam bei der Pandemie-Bekämpfung seien. Doch Recherchen des Magazins „Monitor“ zeigen, dass sich eine zentrale Studie der Uni Oxford nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lässt.Die sogenannte „Oxford-Studie“ gehört zu den zentralen Stützen der Argumentation der Regierungsfraktionen für die Einführung nächtlicher Ausgangssperren im Zuge der Novelle des Infektionsschutzgesetzes.
Denn diese käme zu dem Schluss, dass die darin vorgesehenen Ausgangssperren geeignet seien, den R-Wert „um 13 Prozent zu senken“, heißt es etwa auf der Homepage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Auch der „Gesundheitsexperte“ Karl Lauterbach (SPD) begründet die Notwendigkeit von Ausgangssperren in Deutschland immer wieder mit Hinweisen auf diese Studie. Denn sie zeige, dass Ausgangssperren einen Effekt „von etwa 15 Prozent Senkung der Reproduktionsrate“ haben würden. Doch für Sören Mindermann, einen der Studienautoren, sind diese Aussagen deutscher Politiker „Fehlinterpretationen“. Er betont, dass diese Studie große Unsicherheitsmargen habe und nicht einfach auf die derzeitige Situation in Deutschland übertragbar sei. Die Studie leitet die Effektivität nächtlicher Ausgangssperren aus Daten aus verschiedenen europäischen Ländern ab. Die jeweils untersuchten Ausgangssperren hätten aber zu unterschiedlichen Tageszeiten eingesetzt und entsprechend unterschiedlich lange gedauert, stellen die Studienautoren klar. Außerdem hätten die untersuchten Ausgangssperren auch immer mit anderen Maßnahmen interagiert.
Daher könne man kaum unmittelbare Rückschlüsse auf ihre Wirkung als einzelne Maßnahme und für einzelne Länder ziehen. Auch sonst sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren uneinheitlich. Eine Untersuchung der Universität Gießen und der „Mines ParisTech“ hat beispielsweise verglichen, wie sich die Inzidenzen während der zweiten Welle in hessischen Landkreisen mit und ohne Ausgangssperren entwickelt haben. Man habe dabei „keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Inzidenz-Entwicklung in den Kreisen mit und ohne nächtliche Ausgangssperre“ gefunden, sagt Georg Götz, einer der Studienautoren, gegenüber dem ARD-Magazin „Monitor“.Zur sich daher aufdrängenden Frage, warum die Große Koalition die Oxford-Studie zur Begründung der Ausgangssperren herangezogen hat, wollten weder die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf Anfrage von Medienvertretern Stellung nehmen.
Auch vor dem Hintergrund ihrer unklaren Wirksamkeit hält deshalb die Verfassungsrechtlerin Anna Katharina Mangold die Ausgangsbeschränkungen in der beschlossenen Form für verfassungswidrig. Der gesetzte Zweck, die Einschränkung der Pandemie, könne damit nicht erreicht werden. Außerdem dürften nach Aussage der Verfassungsrechtlerin Ausgangssperren „nur als ultima ratio, als letztes Mittel angeordnet werden“. Diese grundlegende Bedingung sei jedoch im aktuellen Gesetz nicht erfüllt.Dieser Vorgang zeigt den desolaten Zustand, in dem sich Regierung und Demokratie in Deutschland mittlerweile befinden. Mit vermeintlich wissenschaftlich belegten Aussagen sollen berechtigte Fragen oder gar Kritik bezüglich der von Seiten der Regierung angeordneten Corona-Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden oder die jeweiligen Fragesteller als uninformiert oder ideologisch motiviert dargestellt oder gar als sogenannte „Verschwörungstheoretiker“ gebrandmarkt werden. Denn schließlich seien diese Maßnahmen aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht geradezu „alternativlos“ und jeder, der dies in Frage stellt, gefährde damit nicht nur sich und seine Mitmenschen, sondern letztlich gar den (sozialen) Frieden in unserem Land.
Bezeichnend ist, dass die betreffenden Regierungsvertreter nicht einmal mehr dazu bereit sind, zu diesem Thema in den politischen Diskurs zu gehen oder Medienanfragen zu beantworten. Vermutlich wird solches Ansinnen zwischenzeitlich von dem ein oder anderen Politiker als „Majestätsbeleidigung“ oder ähnliches betrachtet; als etwas, was man besser einfach schweigend „aussitzt“. In der Hoffnung, dass der „Michl“ dies in den kommenden Monaten bis zur Wahl am besten vergessen hat oder sich zumindest daran gewöhnt hat, sich schweigend in sein Schicksal zu fügen…!

Quelle: Tagesschau.de
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